PRESSE
Im Jüdischen Museum Creglingen
Bilder, die Steine sprechen lassen Fotoausstellung des Berliner Fotografen Marcel Th. Jacobs über jüdische Friedhöfe
Es sind nur die jüdischen Friedhöfe, die noch von den einst so lebendigen jüdischen Gemeinden berichten, sagte der Berliner Bildautor Marcel Th. Jacobs bei der Eröffnung der Ausstellung „Haus der Ewigkeit“ im Jüdischen Museum Creglingen.
Vor zwei Jahrzehnten begann er gemeinsam mit seinem Ehepartner Klaus Jacobs ein Dokumentationsprojekt, das seinesgleichen sucht: Gemeinsam besuchten sie jüdische Friedhöfe in Deutschland, Polen und der Tschechischen Republik, um sie mit der analogen Leica-Kamera zu dokumentieren. Nach dem Tod seines Mannes setzte Jacobs das Dokumentationsprojekt in der Ukraine, Lettland und Litauen fort.
Über 90 groß angelegte Bilddokumentationen sind so inzwischen entstanden, darunter auch zehn der am Jüdischen Kulturweg Hohenlohe-Tauber gelegenen Friedhöfe. Rund 50 auf diesen zehn Friedhöfen entstandene Schwarz-Weiß- Aufnahmen sind jetzt noch bis zum 10. November im Jüdischen Museum Creglingen zu sehen. Es ist die erste Station dieser Wanderausstellung, die nicht nur für die Bürgerinnen und Bürger der neun Kulturwegs- Kommunen in der Leader-Region Hohenlohe-Tauber von Interesse sein dürfte.
Auf die zehn Friedhöfe der jüdischen Landgemeinden war Jacobs anlässlich seiner Ausstellung zu jüdischen Friedhöfen im mitteleuropäischen Kulturraum aufmerksam geworden, die 2020 ebenfalls im Jüdischen Museum Creglingen gastierte. Ihn faszinierte der im Vergleich zu den Friedhöfen etwa in Polen, der Ukraine und der baltischen Staaten vergleichsweise gut gepflegte Zustand der hier oft recht weit außerhalb der Ortschaften gelegenen Bestattungsflächen.
Angelegt sind sie für die Ewigkeit: Anders als christliche Friedhöfe, dürften jüdische Friedhöfe und Grabstätten nicht aufgelöst werden; sie sind „Beth olam“ – „Haus der Ewigkeit“, „Makom tov“ – „Der gute Ort“ oder auch ein für immer bestimmtes „Beth-ha- Chajim“ („Haus – Stätte – des Lebens“). Bäume, Überwuchs und Erdreich nehmen sie im Lauf der Jahrzehnte und Jahrhunderte in sich auf.
1623 etwa überließen die Herren von Berlichingen ihren Schutzjuden das zwei Kilometer vom Ort entfernt gelegene Areal. Knapp 1200 Grabsteine oder zumindest Fragmente widerstanden auf diesem ältesten und größten jüdische Verbandsfriedhof der Gedenksteine auf den insgesamt rund 2000 Grabstätten. Ein aufgelassener Weinberg ist seit 1738 letzte Ruhestätte für die Mitglieder der traditionstreuen Gemeinde in Braunsbach. Auf dem über Creglingen gelegenen „guten Ort“ datiert der älteste noch lesbar erhaltene Grabstein aus dem Jahr 1696.
Erst ab 1831 diente der Dünsbacher Friedhof den Juden aus Dünsbach und Gerabronn als Begräbnisstätte. Ursprünglich – ab 1632 – fanden die Beisetzungen in Schopfloch statt, 40 Kilometer entfernt vom heimischen Lebensumfeld. Leichter war es 1747, als in Braunsbach ein jüdischer Friedhof eingerichtet wurde. 299 Grabstätten sind auf dem jüdischen Friedhof Hohebach zu finden: ein ruhiger Ort, der auch während des Dritten Reiches nicht angetastet wurde. Von Krautheim aus erfolgten bis 1837 Beisetzungen von Toten der jüdischen Gemeinde in Berlichingen. Als die Nazis die oft aus Granit geschlagenen Gedenksteine nach der Beschlagnahmung des Areals örtlichen Steinmetzen zum Kauf anboten, fanden sie keine Interessenten: Zivilcourage? Aberglaube? Die „Abneigung gegen den Erwerb“ jüdischer Grabsteine trug zum Erhalt des jüdischen Friedhofs Krautheim bei. Nur 19 Grabsteine lassen sich noch auf dem jüdischen Friedhof Laibach finden: Bis etwa 1850 bestand dort eine wohl nach dem Dreißigjährigen Krieg gegründete jüdische Gemeinde. 30 bis 40 Grabstätten dürften es einst gewesen sein.
Auch verstorbene Juden aus Michelbach a.d.L. – eingewandert nach der 1520 erfolgten Vertreibung der Juden aus Rothenburg o.d.T. – wurden lange in Schopfloch bestattet, ehe 1840 ein eigener jüdischer Friedhof entstand. 439 Bestattungen sind hier dokumentiert, 279 Steine bis heute erhalten. Die letzten 18 jüdischen Bewohner hatten kein Grabmal hier: Sie wurden nach Theresienstadt deportiert.
Ab 1737 erfolgte in Niederstetten die Anlage eines jüdischen Friedhofs, nachdem seit der bereits um 1300 erfolgten ersten Ansiedlung Juden ihre Toten zunächst in Schopfloch und Unterbalbach, seit 1730 auf dem jüdischen Friedhof Weikersheim beigesetzt wurden. 478 teilweise kunstvoll mit Symbolik ausgestattete Grabsteine sind hier noch zu finden; die 15 ältesten Steine wurden bereits im Herbst 1929 von unbekannten Tätern durch Hakenkreuz- Ritzungen beschädigt – die erste belegte Entweihung eines jüdischen Friedhofs durch Nazi- Hand. Um 1730 setzte der Vorsteher der jüdischen Gemeinde Weikersheims die Anlage eines eigenen Friedhofs durch, auf dem auch der 1742 verstorbene Hofbankier am Weikersheimer Grafenhof, Lämmle Seligmann, beigesetzt wurde. Insgesamt 707 Beisetzungen sind bis 1941 verzeichnet. Sie alle sind besondere Zeugnisse des Lebens und – dokumentiert durch das Fehlen – des Leidens der jüdischen Gemeinden und nur ein Bruchteil der rund 2000 jüdischen Friedhöfe in Deutschland. 145 jüdische Friedhöfe in Baden-Württemberg mit etwa 55 000 Grabsteinen bedürften gerade in Zeiten des wieder aufwachsenden Rechtsextremismus erhöhter Aufmerksamkeit und Fürsorge.
Mit seinen Aufnahmen mahnt das der Berliner Bildautor Marcel-Th. Jacobs eindringlich an. Mehr denn je sind sie und insbesondere auch die heute hier lebenden Jüdinnen und Juden Ziel antisemitischer Anfeindungen und Angriffe. Durch nichts, auch nicht durch den aktuellen Nahostkrieg, sei das zu rechtfertigen. „Als demokratische, weltoffene Zivilgesellschaft sind wir aufgerufen, ein deutliches Zeichen gegen Antisemitismus zu setzen“, forderte der Fotograf. Etliche Vertreter der Kulturweg-Kommunen aus den drei Landkreisen nahmen teil an der in Zusammenarbeit mit dem Jüdischen Museum Creglingen und dem Jüdischen Museum Creglingen und dem Freundeskreis zum Erhalt der jüdischen Friedhöfe im mitteleuropäischen Kulturraum e.V./Berlin entstandenen Fotodokumentation.
Artikel in den "Fränkischen Nachrichten" vom 14.09.2024 und 02.10.2024; S. 13 von Inge Braune
Artikel in der "Leipziger Volkszeitung" 03.04.2024; S. 24
Berliner Morgenpost vom 08.01.2024
Main Echo
04.11.2023
Rathaus Zeitung
DIE WOCHENZEITUNG DER STADT TRIER
28 Jahrgang - Nummer 17 - 25 April 2023
Artikel "Vorwärts" (Kultur) von Kai Döring 27. Januar 2023
Deutschlandfunk Kultur „Aus der jüdischen Welt“ am 17.09.2021
von Teresa Schomburg (Auszug/Abschrift)
Teresa Schomburg hat Marcel-Th. Jacobs auf einem Rundgang über den jüdischen Friedhof in der Schönhauser Allee in Berlin begleitet.
Marcel-Th. Jacobs tastet sich voran über ein dichtes Beet aus Efeu, das sich auf dem Boden ausgebreitet hat. Dazwischen stehen Grabsteine, mal vollständig, mal zerbrochen oder halb im Boden versunken. Normalerweise hat er bei solchen Rundgängen seine Kamera dabei, eine Leica mit der er analoge Schwarz-Weiß-Bilder macht. Er fotografiert Details auf den Steinen wie Levitenkanne, Menora oder Tierbilder, aber auch die Friedhofslandschaften wie weite Grabsteinfelder und lange Wegschneisen zwischen Bäumen. „Die Symbole und Inschriften kehren in allen Ländern immer wieder“ erzählt Marcel-Th. Jacobs. Für die schwarz-weiße Analog Fotografie hat er sich ganz bewusst entschieden. „Die Fotos, die ich erstellt habe und auch ausstelle werden ja nicht bearbeitet. Das sind Zeitdokumente sozusagen, das ist der Anspruch, es wird nichts aufgehübscht oder verschönert, sondern es wird genauso abgebildet wie es ist“. Kunstvoll sehen die Fotografien trotzdem aus.
Diese besondere Mischung ist auch dem Museums-Team der Alten Synagoge im mecklenburgischen Hagenow aufgefallen, erzählt Thomas Kühn, wissenschaftlicher Mitarbeiter und Kurator der dortigen Ausstellung. „Die Herangehensweise von Herrn Jacobs und seinem Verein hat uns begeistert, hat uns fasziniert, weil er mit einem dokumentarischen Ansatz an die Thematik herangeht, die Fotos trotzdem nicht einer gewissen Ästhetik entbehren. Und diese Verbindung von Dokumentation und analoger Fotografie hat uns überzeugt.“ so Thomas Kühn weiter.
Im Winterjahr, wenn die Grabsteine gut zu erkennen sind, reist Marcel-Th. Jacobs durch das historische Galizien. Wenn es die Pandemie zulässt, möchte er weiter durch Ostpolen und die Ukraine fahren, später könnten auch Länder wie die Slowakei und Moldawien dazu kommen. Viele der Friedhöfe besucht er immer wieder. Sie sind für ihn lebendige Orte, die sich ständig verändern.
Die Foto-Ausstellung „Haus der Ewigkeit“ ist noch bis zum 17.10.2021 in der Alten Synagoge Hagenow zu sehen, vom 21.10. bis 21.11.2021 dann in Magdeburg im Landtag von Sachsen-Anhalt. Weitere Informationen auch über den Freundeskreis zum Erhalt der jüdischen Friedhöfe e.V. unter: www.jüdische-friedhöfe.de
Artikel "Schweriner Volkszeitung"/"Der Priegnitzer"/"Norddeutsche Neueste Nachrichten" und "Hagenower Kreisblatt" von Robert Lehmann 09.07.2021
Pressemitteilung Thüringer Landtag vom 06.11.2020
Artikel "Main Post" 08.09.2020
Schabat Schalom
Sendung vom 06.12.2019 15:00 Uhr /Autorin Almut Engelien (überarbeitete Abschrift)
Haus der Ewigkeit, das ist der Titel einer Ausstellung im Jüdischen Museum Rendsburg über jüdische Friedhöfe.
Wer einmal einen alten jüdischen Friedhof besucht hat, wird diesen Besuch nicht wieder vergessen. Denn er taucht ein in eine andere Zeit. Das liegt daran, dass jüdische Gräber traditionsgemäß nicht aufgelöst werden, auch nach Jahrhunderten nicht. Die Totenruhe gilt als unantastbar. Haus der Ewigkeit heißt dann auch eine Fotoausstellung, die zur Zeit im Jüdischen Museum Rendsburg zu sehen ist. Gezeigt werden Schwarz/Weiß Fotografien von Friedhöfen in Deutschland, Polen, der Ukraine und der Tschechischen Republik.
Frank Hajasch hat die Schau gesehen.
„Ich interessiere mich seit fast mehr als 20 Jahren für die jüdische Alltagskultur. Neben Synagogen und rituellen Tauchbädern, die es noch gibt, gilt mein Interesse auch den jüdischen Friedhöfen. Gerade auf jüdischen Friedhöfen finde ich interessant, dass man dort die Geschichte relativ einfach ablesen kann." sagt Marcel Jacobs.
Vor allem geht es um die Gestaltung der Grabsteine. Viele Fotos sind Nahaufnahmen, so dass nicht nur die verschwundenen Friedhofslandschaften festgehalten werden, sondern auch kunstvolle Details. „Was man an Grabsteinformen entdecken kann sind z.B. die klassische Hufeisen- oder Giebelform mit floralen Elementen. Dort finden Sie in der Mitte des Grabsteins häufig ein Symbol wie z.B. Kerzenleuchter oder Tierdarstellungen.“ so Jacobs.
Marcel Jacobs, Fotograf aus Berlin, steht im Jüdischen Museum im Betsaal der ehemaligen Synagoge von Rendsburg. Sein Blick fällt auf eines der 40 mittelgroßen Formate.
Das Bild zeigt die weitläufige Anlage im ukrainischen Czernowitz. Mit 50.000 Grabstellen und fast 15 Hektar Grundfläche gehört dieser Friedhof zu den größten in Europa. Endlose Reihen an Gräbern sind zu sehen, mit gekippten oft auch umgefallenen Grabsteinen, bis zum Horizont.
„Der Verfall geht immer voran. Es sind meistens Sandsteine. Ich kann diesen Verfall selbstverständlich nicht aufhalten, aber ich möchte ihn zumindest dokumentieren. Das ist auch der Hintergrund unseres Projekts. Wenn ich vor einem Grabstein stehe, dann immer mit dem Bewusstsein, dass hinter jedem Grabstein die Biographie eines Menschen steht.“ sagt Jacobs weiter.
Der üppige Bilderschmuck auf den Grabsteinen wie z.B. eine Menora oder einer stilisierten Tempelarchitektur ist trotz Verwitterung, Patina und Wildwuchs gut zu erkennen. Die Bilder zeigen die behutsame Arbeit von Marcel Jacobs. Da wird nicht nur abgelichtet. Der Fotograf sucht Sichtachsen, hat den Blick für`s kleinste Detail. Wobei die Schärfe bei den analogen Aufnahmen diesen Blick noch verstärkt. Und da ist dann sein Interesse an den Texten. Sie sind lang, mehr noch auf der Rückseite der Grabsteine und oft in hebräischer Schrift – sie hätten ihn berührt, erzählt der Berliner. „Ein typisches Beispiel ist das eines Industriellen: In seinen Lobpreisungen (Inschriften) wird erwähnt, wie sozial er engagiert war, im Bau von Kinderheimen oder Krankenhäusern. Er hatte auch seine soziale Verantwortung als Unternehmer stets im Blick.“ so Jacobs.
20 jüdische Friedhöfe in Mitteleuropa hat Marcel Jacobs für diese Ausstellung besucht, darunter die großen in Warschau und Berlin-Weißensee. Aber auch auf wirklich alten Anlagen wie auf dem Prager Josefov Friedhof sind beeindruckende Aufnahmen entstanden, die in Schwarz/Weiß gut zu der Vergänglichkeit und den Verfall passen. Weil Gräber nicht aufgelöst werden, sondern bei Platzmangel auf alten Friedhöfen weiter beerdigt wird, sammeln sich die Steine und man kann die Veränderung der Grabkultur gut erkennen. Der Fotograf erinnert an die jüdischen Einwanderer aus den ehemaligen GUS – Staaten in den 1990er Jahren. „Da finden Sie ganz schlichte Marmorgrabsteine mit Blumenschmuck oder Kerzen auf den Gräbern, was in der jüdischen Grabkultur eigentlich nicht – in Anführungszeichen – normal ist, um es so auszudrücken.“ sagt Jacobs.
Auf fast allen gezeigten Fotos stehen die Grabsteine als Stelen, wie bei den asch- kenasischen Juden. Auf dem riesigen Friedhof von Lòdz mit seinen mehr als 160.000 Gräbern liegen sie hingegen größtenteils und bilden eine schier unendliche Fläche. Trotzdem sei das kein Beispiel für sefardische Begräbnistradition, erklärt Jacobs. Die Steine in Lòdz seien bewusst gelegt worden um eine Gedenkfläche zu bieten. „Diese Fläche ist eine Erweiterung des jüdischen Friedhofs und grenzt unmittelbar an das einstige Ghetto von Lòdz.“ sagt Jacobs.
Die Ausstellung Haus der Ewigkeit im Jüdischen Museum Rendsburg können Sie noch bis zum 09. Februar 2020 sehen.
Frank Hajasch stellte sie vor.
Artikel "Holsteiner Zeitung" von Hans-Jürgen Jensen 07.11.2019
Artikel "DNN" von Christian Ruf 29.12./30.12.2018 Nr. 301
Artikel „Jüdische Allgemeine“ von Karin Vogelsberg 05.11.2018 /Kislew 5779
JÜDISCHE ALLGEMEINE | 08.11.2018 Dresden